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Die Philosophie der Liebe

Die Liebepur ist bekannt für ihre teils harsche Wissenschaftskritik. Warum? Weil ein Teil der Wissenschaft unter dem Deckmantel der Forschung die Entmenschlichung betreibt. Mit anderen Worten: Die Wissenschaftler forschen in verschiedene Richtungen und stellen dabei etwas fest, das dann verallgemeinert wird – so, dass die Presse darauf anspringt. Die Methoden mögen durchaus fragwürdig sein, die Hauptsache ist, dass andere Forscher die Behauptungen unter gleichen Bedingungen verifizieren können. Eines der typischen Beispiele: Man zeigt Studenten Fotos von Frauen und Männern und lässt sie (unter zahllosen Nebenbedingungen) die Attraktivität beurteilen. Was dabei herauskommt, hat mit der Realität er Partnersuche und Partnerwahl am Ende möglicherweise nicht das Geringste zu tun. Dennoch steht ein paar Wochen später in der Zeitung, dass wir alle noch reagieren wie die Steinzeitmenschen. Es ist erstaunlich, dass dieser Schwachsinn von namhaften Zeitungen überhaupt gedruckt wurde. Wenn ich es bezweifle, dann sagen mir die Wissenschaftler: „Ach,welche Menschen denn? Die Leute, die Sie kennen? Wollen Sie behaupten, wir hätten nicht korrekt geforscht?“

Behauptungen über die Liebe ohne jede Sorgfalt verkündet

Wenn wir uns aktuellen philosophischen Betrachtungen der Liebe zuwenden, so finden wir, unabhängig von Profession und Ideologie, einen bemerkenswerten Umstand vor: Die Autoren versuchen uns zu erklären, warum die Liebe stirbt. Nun würde jeder vernünftige Mensch sagen: „Wenn wir so etwas untersuchen wollten, müssen wir zunächst einmal die Veränderungen beschreiben, die wir festgestellt haben.“ Sehr einfach: Man nehme den IST-Zustand verschiedener Epochen, sagen wir mal alle 25 Jahre oder nach prägenden Ereignissen, und vergleiche ihn mit dem IST-Zustand eines späteren Zeitpunkts. Was dazwischen liegt, wäre eine Veränderung, die Differenz. Da es um die Liebe geht, also um ein Gefühl, reichen dazu Zahlen über Eheschließungen, Scheidungen, Zeitpunkt der Aufnahme von Geschlechtsverkehr und dergleichen allerdings nicht aus. Dazu wären Forscher nötig, die aus den Fragmenten einer Zeit deren Weltbild zusammensetzen könnten, wie in einem Puzzle.

Warum Vergleiche die Liebe nicht immer erschließen

Das allerdings ist selten der Fall. Es gibt so gut wie keine IST-IST-Vergleiche, und wo sie doch versucht wurden, steckte eine Ideologie dahinter, die den an sich guten Ansatz zunichtemachte. Ein typisches Beispiel dafür ist Muchows „Jugend“, in dem er die Vorkriegsjugend (vor dem Zweiten Weltkrieg) mit der Nachkriegsjugend vergleicht und dabei auch die Sexualität einbezieht. Doch Muchow war kein Freund der Jugend, und was wirklich in jungen Menschen der Nachkriegszeit vor sich ging, erschloss sich ihm in keiner Weise.

Der nebulöse Begriff der Liebe

Wann immer ich über die Liebe lese, gleich, ob sie nun sinnlich befeuert wird oder wissenschaftlich sterilisiert, vermisse ich eines: Welche Liebe ist denn nun gemeint, bitte schön? Da hat man die freie Auswahl: Mal ist es die Liebe als sozialer Zusammenhalt aller Menschen, mal ist es das Paarungsverhalten des Homo sapiens, und mal ist es ein nebulöses Gefühl, das sich kaum mit Worten fassen lässt.

Niemand weiß, was Liebe ist – für den Anderen

Das Letztere ist das eigentlich interessante an der Liebe. Wir Menschen wissen doch gar nicht, was Liebe ist, wir wissen nur, was die Liebe „jetzt und hier für uns selbst“ ist. Schon die Liebe eines anderen Menschen, ja sogar des eigenen Partners, entzieht sich weitgehend unserer Erlebniswelt. Wer sagt: „Ich fühle genau wie du“ hat schon gelogen, oder sagen wir einmal, „an der Wahrheit zugunsten der Übereinstimmung herumgedoktert“.

Die Kultur der Liebe – einmal analog-digital und zurück, bitte

Weil wir nicht wissen, was Liebe ist, suchen wir uns Modelle,über die wir uns verständigen können. Wir versuchen, eine analoge Welt (die der Gefühle) in eine digitale (die der Sprache) zu übertragen. Das ist schon an sich ein Abenteuer, über das unsere Jugend eigentlich in der Schule viel mehr erfahren müsste. Analog-Digitalwandlung und die Rückwandlung digital-analog ist eine unserer größten Kulturleistungen. Jedes Liebespaar, das miteinander über die Liebe redet, vollbringt damit wahre Wunderwerke der Kommunikation. Wenn Sie mit den Begriffen nichts anfangen können: Schreiben Sie einmal einen kurzen Text über ihre momentanen Gefühle. Legen Sie den Text eine Weile weg, mindestens einen Woche, besser einen Monat. Dann lesen sie ihn erneut, möglichst laut. Ich bin fast sicher, Sie gewinnen dabei wichtige Erkenntnisse über sich selbst.

Die Desinformation über die Liebe und die Droge Literatur

Der Welt des Verstehens, über die ich gerade geschrieben habe, liegt eine andere Welt gegenüber: die der Desinformation. Sie ist ein Rummelplatz, auf dem sich die Bestsellerautoren des Liebeskitsches tummeln. Hier will man als Autor gar nicht, dass Sie „etwas verstehen“, sondern dass sie sich am Liebeskitsch besaufen – und für Sie als Leser sind diese Bücher eben die kleine, angenehme Droge.

Romantische Liebe? Ja, aber nicht ausschließlich

Fehlt noch ein Blick auf die viel gepriesene romantische Liebe. Dazu habe ich schon früher den entscheidenden Satz geschrieben: „Man redet immer über das, was man nicht hat“. Denken Sie doch bitte mal nach: Na klar hatte Ihr Leben einmal romantische Momente, natürlich waren Sie mal über beide Ohren verliebt und haben dabei auch Unsinn angestellt. Aber der größte Teil unseres Lebens ist eben nicht von der „romantischen Liebe“ geprägt, sondern wahlweise von der Liebe, die aus dem Zusammenleben entsteht und der Liebe, die mal allgemein „sexuelles Verlangen“ nennt.

Schön wäre, wenn wir uns darauf einigen könnten: Die Liebe ist für jeden von uns anders, und wir haben einen gewissen Hang, uns gerne an die romantischen Momente der Liebe zu erinnern. Das ist unser gutes Recht. Falsch ist aber, die romantische Liebe als Leitbild zu nehmen oder gar zu propagieren.

Ein Wort zuletzt: Wenn Sie wissen wollen, wie die Liebe ist, dann lesen Sie keine Bücher, sondern probieren Sie einfach ein paar Varianten aus und schreiben Sie darüber ein privates Tagebuch (bitte: Kein Blog). Das hilft, der Wahrheit näher zu kommen.

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