Warum Frauen über 40 die Partnersuche neu lernen sollten
In Übergangszeiten (und eigentlich leben wir ständig in „Übergangszeiten“) kommt das „Alte“ und das „Neue“ zusammen. Das war in Deutschland so, als das Wertsystem Bürgertum nach dem Ersten Weltkrieg zusammenbrach, und es war erneut so, als die Restwerte, die man noch „aus der guten alten Zeit“ gerettet zu haben gelaubte, nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsame mit dem Nazi-Verbrecherregime in Schutt und Asche versanken.
Die neue Übergangszeit ist, wenn man so will, die voremanzipatorische und die nachemanzipatorische Zeit. Irgendwo gegen 1970 kamen die Manifeste auf, und irgendwann gegen 1990 erwuchs aus ihnen das erste Mal die pragmatische Grundhaltung: „Frauen können jetzt alles, was sie wollen, und nun tun sie auch alles, was sie wollen.“
Die allgemeinste kulturelle Beurteilung durch den Vulgärfeminismus wäre: „Wir Frauen haben uns emanzipiert – nun seid ihr Männer dran“ – und wirklich nehmen sich diesen Satz einige Männer zu herzen. Ja, wir müssen uns wandeln, und ja, mit unserer Auffassung von „damals“, als wir noch den Familienpascha spielen duften, gehen nicht mehr. Wir bleiben sozusagen auf ihnen sitzen.
Das alte und das neue Frauenbild stehen nebeneinander -sogar politisch
Nur – da wäre ein kleiner Haken. Frauen sind nicht alle gleich, nur weil sie Frauen sind. Die Entwicklung jeder einzelnen Frau verlief anders, und insbesondere Frauen von über 40 (die also vor 1970 geboren wurden) waren zu einem großen Teil von der Entwicklung kaum betroffen. Die Reste des konservativen Bürgertums wurden ja nach der 1968er Revolution und mit der neuen Frauenbewegung nicht „ausgerottet“, sondern sie hielten und halten sich bis heute. Was wir gerne vergessen: Es gibt nicht nur die urbane Welt, die in der Zeitung steht und insbesondere nicht nur die literarische Welt, die wir in den Feuilletons finden. Die „Widerstandsnester“ konservativer bürgerlicher Ideologie sind überall, und ihre vehementen Verteidiger sitzen auch heute noch im Bundestag.
Die alte Leier: Frauen sind moralisch erhaben und schutzbedürftig
Es gibt sie also, die Frauen, die glauben, sie seine moralisch erhaben über den Mann. Es gibt diejenigen, die glauben; Gott haben ihnen bei der Schöpfung eine völlig andere Aufgabe gegeben als dem Manne, und vor allem gibt es jene, die glauben, der Mann müsse sie nähren, schützen und behüten.
Über 40 zurück auf den Markt – und in eine fremde Welt
Soweit, so gut. Doch wenn die konservative Frau, die nichts als eine zwar moderat emanzipierte Welt, aber eben doch nur eine bürgernahe Ehe kannte, mit 40 wieder „auf den Markt“ geht?
Dann kommt zu alldem noch der Umstand, dass die meisten Single-Frauen heute anders mit ihrer Sexualität umgehen: vor allem freizügiger, aber auch selbstbewusster und fordernder. Sie wissen ihre Welt zu beurteilen, und bleiben selbstbewusst, auch wenn sie wissen, dass sie sich gerade in eine Illusion hineinbegeben.
Der bunte Männerkatalog erlaubt die freie Wahl – aber nicht unbedingt die Ehe
Da ist der Macho, der sie gerne als Sex-Püppchen für seine Sammlung hätte, dort, dort der Filou, der sie wie einen Hamburger im Schnelldurchgang verknuspern will, und dort der Gentleman, der verheiratet, aber charmant ist und ganz genau weiß, wie Damen in seinen Armen schmelzen. Sie alle konkurrieren mit den Singles, die mal ONS, mal eine schöne Sommerliebe und mal eine Partnerin fürs Leben suchen. Kluge Frauen wissen dies und prüfen fallweise, was und wen sie sich selbst zumuten können – und eines gleich vorweg: Die Gruppe jener Männer, die über 50 sind und die eine Partnerin fürs Leben deutlich über 40 suchen, ist die kleinste, und sie hat zugleich die größte Auswahl.
Die Welt muss akzeptiert werden, wie sie ist – man selbst darf sich aber ändern
Doch viele der Frauen über 40, frischgeschieden, bürgerlich und teilweise erschreckend naiv, wollen eine solche Welt nicht akzeptieren – und das macht sie zum „Knabberzeug“ der Männer. Das Problem ist ja nicht, dass es Männer gibt, die nichts als die Lust der Frauen nutzen und ausbeuten wollen – die gab es immer, und sie wird es immer geben. Das Problem ist, dass die „neuen Marktteilnehmerinnen“ glauben, zu den Bedingungen ihrer Jugend im konservativen Elternhaus spielen zu können. Sie denken, sie kennen die Regeln, und sie glauben, dass die Männer nach ihren Regeln spielen werden: Sich sinnlich zur Schau stellen, sich sexuell zunächst vornehmen zurückhalten, bis der richtige Zeitpunkt für die Liebesnacht mit dem Prinzen kommt, und ihn dann nach und nach ins Spinnennetz hineinziehen.
Was soll ich dazu sagen? Naheliegend wäre: „Wenn Teenager träumen …“ aber ich will niemanden beleidigen. Doch ich fände es sinnvoll, wenn jede Frau, die über 40 ist und zuvor nichts anderes kannte als eine bürgerlich-konservative Welt, akzeptieren würde, dass sie lernen muss, sich in der neuen Welt selbstbewusster und lustaktiver Frauen ihren Platz zu erobern – ob nun mit Klugheit und Bedacht oder mit Versuch und Irrtum – das muss schon jede Frau selber herausfinden.
Lesen Sie zu einem ähnlichen Thema bitte heute auch Judith Alwin.