Online-Dating – die freie Auswahl oder kaum eine Auswahl
Ich weiß, ein Teil von Ihnen wird jetzt sagen: „Wieso Wahl, man hat doch so selten Dates, irgendwie muss man doch froh sein, wenn man überhaupt ein Date bekommt.“ Es sind nicht nur die typischen Verlierer unter den Männern, die so reden, denn in der Tat haben es inzwischen „ganz gewöhnliche“ Männer im Alter zwischen 35 und 30 recht schwer, überhaupt ein Date zu bekommen. Daran tragen die Männer nicht einmal die Schuld: Es sind die Marktgesetze, die diese Männer benachteiligen.
Extreme Datingfrequenzen und die Warenhaustoilette
Manche Männer haben sie nun aber, die Qual der Wahl – und viele Frauen sowieso. In manchen Büchern wird empfohlen: „Ach, fassen Sie doch mehrere Dates zusammen, wenn Sie ohnehin reisen müssen.“ Mich erinnert dies immer so an den „Bewebungstourismus“, der entsteht, wenn es wenig Bewerber, aber viel Stellen gibt. Manche Menschen, sogar viele Frauen, machen sich gar nichts draus, am Nachmittag einen Kandidaten und am Abend den nächsten zu treffen. Fragt sich, wie die dies emotional verkraften, und wie ihre Entscheidungsstrukturen dann aussehen. Wenn ich da mal etwas zynisch werden darf: Theoretisch geht das auch beim Causal Dating: erster Lover nachmittags, dichtes Unterholz, zweiter Lover abends, seine Wohnung. Tatsächlich kannte ich mal eine Dame, die sich daraus nicht viel machte – reinigen kann man sich schließlich zwischendurch auf der Warenhaustoilette.
Mehrere Dates am Tage: Wer soll Sie da noch ernst nehmen?
Für mich ist das „Polydating“ an einem einzigen Tage mit mehreren Partner – auch ohne jeden Flüssigkeitsaustausch – eine emotionale Unverschämtheit. Denn wenngleich Dating „nur Dating“ ist, so sollte man sich doch emotional auf den anderen einstellen, sich ganz ihm widmen und ihn damit auch wirklich ernst nehmen. Klipp und klar: Wer mehrere potenzielle Partner an einem einzigen Tag trifft, verletzt nicht nur die Gesetze des guten Geschmacks, er nimmt die Partnersuche auch nicht wirklich ernst. Nun könnten Sie argumentieren: Ja, das ist ja bei Speed Datings auch so. Nur: Bei Speed-Datings (meine Abneigung dagegen dürfte bekannt sein) soll man ja überhaupt erst einmal die Grundlagen eines anderen Menschen kennenlernen – die sollte man beim echten Dating aber bereits kennen, bevor man sich verabredet.
Was Dating mit Wanderungen zu tun hat
Wer das Glück hat, viele Dates zu bekommen, muss eine kluge Wahl treffen, und er kann die nicht nach Bordellart tun, das heißt, er kann nicht alle Frauen begutachten und dann eine auswählen, weil nie alle zur gleichen Zeit zur Verfügung stehen. Entscheidungen über die Zeit hinweg sind schwierig, und wer hinter der nächsten Hügelkuppe eine noch schönere Aussicht vermutet als bei der vorhergehenden, wird lange wandern müssen und vielleicht nie zum Ziel kommen. Also; Wanderinnen und Wanderer: Bleibt stehen, wenn ihr eine schöne Aussicht gefunden habt – meist kommt keine bessere, sondern nur noch eine andere.
Die Mischung, die zur Entscheidung führt
Es ist daher eine Mischung aus fester Absicht, günstigem Zufall und einer geeigneten Stimmungslage, einem Menschen zu sagen: „Ja, versuchen wir es doch einmal miteinander …“ übrigens ist ein zweites Treffen kein Garant für eine neue Beziehung, aber zumindest ein Baustein darin. Mehr als eine Woche sollte nicht zwischen dem ersten und zweiten Treffen liegen – und auch bei Fernbeziehungen sollten Sie versuchen, den nächsten Flug innerhalb von zwei Wochen zu buchen, denn zunächst ist für jeden alles im Fluss, und wenn erst einmal das Karussell der Zweifel im Hirn zu rotieren beginnt, ist schon ein Teil des Zaubers der ersten Begegnung wieder verschwunden.
Judith Alwin behandelt das Thema der Qual der Wahl bei der Partnersuche aus ähnlicher Sicht im Herzklopfenblog von neu.de