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Die Partnersuche und die angeblichen „Krisenzeiten“

In Krisenzeiten ist die Sehnsucht nach einer festen Beziehung besonders groß“ … wer hätte ihn nicht schon gelesen, diesen schnöden Abnickersatz. Eine soziologische Erkenntnis sei es, heißt es in einer Zeitung weiter, und wieder nicken die meisten den Satz ab, wenn es weiter heißt: „… denn vor allem dann sucht der angstgebeutelte Mensch einen Fixpunkt in seinem Leben“.

Krisenzeiten also. Menschen frieren, nehmen sich zu zweit eine Einzimmerwohnung mit Kochgelegenheit, sammeln Holz im Wald und stehen in langen Schlangen mit Bezugsscheinen für Nahrungsmittel an.

Ach so, ganz so schlimm sind die Krisenzeiten nicht? Heizung, Warmwasser, Handy, Internetanschluss, Rindersteaks und Spätburgunder trocken sind doch noch drin?

Liebe Leserinnen und Leser, es gibt sie derzeit nicht, die Krisenzeiten. Krisenzeiten sehen anders aus – ganz anders. In Krisenzeiten, in denen die Menschen zusammenrücken, werden nicht Tausende von Ehen geschieden, man bekommt die Kinder nicht möglichst spät, um die Karriere nicht zu gefährden und man macht keine Seitensprünge, die um die Ehe leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Der normale Bürger lebt nicht in einer Krisenzeit, und wer das glaubt, der hat noch keine Krisenzeit erlebt. Wir leben, im Gegenteil, nach wie vor ins saus und braus, wenngleich „saus und braus“ für jeden etwas anderes sein mag – doch niemand soll mir erzählen, dass die Armut die Menschen einander intensiv suchen, um Paare zu bilden und alsbald die Ehe einzugehen.

Nein, ich kann diese Krise nicht feststellen. Die Menschen in Deutschland denken weiterhin vor allem an ihre sogenannte „Selbstverwirklichung“, auch wenn sie gar keine ist, sondern eine Illusion: „Brot und Spiele“ werden geboten, und eines der Spiele heißt eben „Flirten“, ein anderes „Dating“. Die Sprache ist verräterischer, als man denkt: Flirten ist ein Spiel, Dating ist ein Spiel –beides wird nicht betrieben, um auf dieser Welt einen Partner zu suchen, sondern um ein bisschen von einer Blume zur anderen flattern zu können. Die scheinbar unendliche Auswahl suggeriert, dass es noch eine bessere Frau, ja vielleicht sogar die perfekte oder die ideale Frau geben mag, die Traumpartnerin oder wie die Modelle der Sprachidioten immer heißen mögen.

Inzwischen suggerieren Dutzende von Machwerken zum „Dating“, dass man dort in eine skurrile Welt der Irrungen und Wirrungen eintaucht – kein Wunder, wenn man die Partnersuche als „lichtes und lockeres“ Gesellschaftsspiel auffasst, bei dem man heute diesem, morgen jenem und übermorgen wieder einem anderen begegnet.

Ernsthafte Partnersuchende werden sogar gelegentlich verlacht – irgendwie „tut man das nicht“. Wenigstens nach außen hin soll das Leben leicht, locker und luftig erscheinen – das ist aber leider nicht so. Partnersuche ist im Endeffekt eine sehr ernste Sache, die zwar mit Freude und Humor betrieben werden sollte, aber eben nicht, um einen ansonsten verregneten Samstagnachmittag mit einem Date zu füllen.

Nein, die Menschen in Deutschland rücken nicht zusammen, weil „wir eine Krise haben“. Der Boom der Singlebörsen ist ein Zeitzeichen, das eher auf die individuelle Freizeitgesellschaft mit dem Wunsch nach „schnuckeligen“ Kontakten hindeutet als auf die Not, einen Partner zum gemeinsamen Durchleben der Krise zu finden.

Zitate und Behauptungen aus der „Nürnberger Zeitung„.

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