Der Frauentag – kein Tag nur für Frauen
Als der Frauentag, den wir heute feiern, aus der Taufe gehoben wurde, war die Welt gerade in großer Unordnung. Der Erste Weltkrieg, ein Ereignis, das die Gemüter noch jahrzehntelang bewegen sollte, war dabei, alles umzureißen, was vorher gegolten hatte: Monarchie, Bürgertum, Männervorherrschaft und Geldwertstabilität begangen zu bröckeln. Die Frauen der damaligen Zeit nutzten die Chance, um längst überfällige Reformen durchzusetzen oder jedenfalls auf den Weg zu bringen.
Seither haben wir eine völlig veränderte Welt, wenngleich der Sieg der Frauen nicht durchgängig gehalten werden konnte – in Deutschland zunächst durch die Nazis, dann aber auch durch die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der die westdeutsche Regierung Adenauer gar nicht daran dachte, an den Errungenschaften der mutigen Frauen vor 1933 anzuknüpfen, sondern ihre Politik an dem „Mütterchenideal“ des Bürgertums vor dem Ersten Weltkrieg auszurichten. Entsprechend wurde auch der Frauentag als „sozialistisches Erbe“ nicht gefeiert, sondern verfemt.
In der Zeit nach 1970 wurde über Frauen – und insbesondere über das Verhältnis zwischen Frauen und Männern – viel Unsinn geredet, und der heutige Tag dürfte da keine Ausnahme machen. Denn Frauen wie auch Männer sind im Moment gerade dabei, wieder in Klischees zu denken: Hier ist Mars, dort ist Venus. Männern wird beispielsweise (sogar von renommierten Verlagen wie Langenscheidt) gesagt, dass Frauen eine ganz andere Denkweise hätten, und für beide Geschlechter gibt es eine Literatur, die mehr oder weniger dies sagt: „Lerne ihre Denkweise kennen und dann mach sie nieder oder lege sie flach oder schleppe sie vor den Traualtar“.
Nun ist es sicher nicht schlecht, sich ein wenig in die Denkweise des anderen Geschlechts hineinzudenken, doch wen bringt dies wirklich weiter? Mehr nämlich als mit den Eigenschaften des „anderen Geschlechts“ müssen Partnersuchende mit den „Eigenschaften des anderen Menschen“ leben. Deswegen gilt: Für „Flachleger“ und trickreiche Betrügerinnen mag die einschlägige Literatur etwas nützen, im Alltag fließen in die Beziehung aber noch weitere Komponenten ein, die alles andere als geschlechtsspezifisch sind.
Deshalb gilt für Frauen wie für Männer: Sich selbst zu lieben als Frau oder mann ist das Wichtigste. Wer sich selbst liebt, ist auch imstande, andere zu lieben und die Unterschiede zwischen sich selbst und anderen Menschen zu ertragen und daraus sinnvolle Kompromisse abzuleiten.
Nun, und zum Frauentag? Da darf man getrost eine Rose verschenken, und auch eine in Empfang nehmen. Schließlich bekommen Frauen nicht täglich Rosen geschenkt, nicht wahr?