Bringt der wissenschaftliche Fortschritt perfekte Paare zusammen?
Das Internetdating fühlt viele Menschen zunächst durch das Königreich der Psychologie: Kein Eintritt ohne Partnerübereinstimmungstest heißt es bei den sogenannten Online-Partnervermittlern. Sie verschweigen freilich sehr bewusst, dass dieser Test in erster Linie nicht aus psychologischen Gründen durchgeführt wird, sondern damit die im Hintergrund arbeitende Software überhaupt irgendeine Grundlage hat, um Partner zusammenzuführen. Noch einfacher: Das Geschäftsmodell basiert auf einer Software, die datenhungrig ist und überhaupt nur dann zur Zufriedenheit arbeitet, wenn man eine Menge Kriterien einfüttert, die aus dem Partnertest gewonnen werden.
Wenn dabei von „Wissenschaftlichkeit“ oder „Fortschritt“ die Rede ist, dann sollte man gleich nachfragen: „Welche zuverlässig belegte Wissenschaft denn bitte?“ oder „welche der möglichen Theorie steht dahinter?“ oder gar „Welchen wissenschaftlichen Fortschritt gab es denn bitte in Partnerübereinstimmungstests?“
Dabei werden die Behauptungen in der PR immer abwegiger. Ich habe inzwischen bereits aus zwei Quellen die Meinung gehört (beide von Online-Partneragenturen), die „Übereinstimmungstests würden die Scheidungsrate senken“. Es gibt kaum eine kühnere Behauptung, denn kein Test kann Ihnen voraussagen, wie sich die Partner in einer Beziehung entwickeln, sondern nur, wie der gegenwärtige Stand nach der Computerauswertung ist.
Sieht man sich an, auf welch primitiven Grundlagen die Test großen Teils funktionieren (manchmal sind Agenturen so unvorsichtig, die Grundlagen ihrer Tests zu veröffentlichen), so wird sofort augenfällig, warum ein großer Teil der Menschheit in die Löcher zwischen den Ergebnissen fällt: Diese Menschen liegen einfach „dazwischen“, sind also beispielsweise situativ introvertiert oder eben extravertiert. Die Softwareprogramme können aber nicht „sowohl als auch“, und sie können schon gar nicht situativ differenzieren.
Bei alledem fällt natürlich auch dies auf: Es gibt nicht die geringste Garantie, dass sich Menschen, die angeblich „zusammenpassen“ auch tatsächlich ineinander verlieben.
Was erleben wir denn nun tatsächlich?
Die größte Gemeinsamkeit aller Partnersuchenden ist, dass sie Partner suchen. Das ist schon einmal ein großer Vorteil zur freien Wildbahn, wo dies nicht unbedingt der Fall ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass man Eigenschaften und Eindrücke visuell und in Worten darstellen kann – man weiß also mehr über den anderen, als die sonst üblicherweise der Fall ist. Der Psychotest ist dann lediglich ein Hinweis: „Guck dir diese Leute an, sie könnten charakterlich zu dir passen.“ Das ist definitiv alles – denn der Test sagt nicht im Geringsten aus, ob der andere in meine Lebens- und Zukunftsplanung passt.
Um die zu Anfang gestellt Frage zu beantworten: Es gibt weder einen gesicherten wissenschaftlichen Fortschritt in der Partnerzusammenführung noch sind die gegenwärtigen Partnerübereinstimmungstests Garanten für ein perfektes Leben zu zweit. Sie sind ein kleines, interessantes Hilfsmittel, und weiter gar nichts.
Gerade hat der Geschäftsführer von neu.de, Joachim Rabe, in einer Pressmitteilung verlauten lassen:
Wir glauben, dass die Liebe immer eine primär subjektive menschliche Entscheidung ist und das auch immer so bleiben wird – Software hin oder her
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Genau so ist es – und es ist realtiv mutig, dies zu sagen, denn immerhin hat auch Meetic, die Mutter von neu.de, in Deutschland mit partner.de eine Online-Partnervermittlung.
Behauptungen wie die Senkung der Scheidungsrate durch Partnerübereinstimmungstest sollte man bitte überall ganz schnell in der Versenkung verschwinden lassen. Geschieden wird in der Regel nicht, weil man nach sieben oder zwölf Ehejahren feststellt, dass man „nie übereingestimmt hat“, sondern weil man sich auseinanderentwickeln hat. Wie, um Himmels willen, wollen dies Computerprogramme voraussagen können?