Sexversender kämpfen um Kunden
Ich wusste ja manches: zum Beispiel, dass ein Mann, der sich „Zukunftsforscher“ nennt und Matthias Horx heißt, jedes Jahr mit irgendwelchen Sensationen das Jahr beginnt. Was ich nicht wusste: Er macht es für Beate Uhse – man hätte es sich denken können, dass jemand aus der Branche dahintersteckt. Doch diese Megatrends, die Horx entdeckt haben will, nützen gar nichts, wenn sie nicht in Geschäftskonzepte umgesetzt werden. Dass soll ein Herr Lindemann machen, der gerade versucht, den Sex-Anbieter Beate Uhse zu sanieren.
Kann man etwas lernen aus solchen Dingen? Ich meine: ja. Die Erotikbranche hat jahrzehntelang versucht, Produkte sehr gemischter Qualität zu höchsten Preisen zu verkaufen – was ihr zweifellos gelang. Das Wort „gemischt“ ist geschmeichelt: Billigprodukte waren schon immer im Angebot.
Das Neue? Vor allem dies: Man ist nicht mehr alleine. Die anderen, die sich bisher geschämt haben, verkaufen auch: Neckermann, Amazon … und eine Menge Unternehmen, die denken: „Wo Platz für ein Warenhaus ist, ist auch Platz für einen Kiosk“.
Das wäre alles nicht schlimm, wenn alle unterschiedliche Produkte hätten – interessante, wunderbare Produkte, innovativ, lustvoll und (vielleicht) gar zum Sammeln. Das wäre interessant, wenn alle einen eigenen Kundenkreis hätten, den sie kennen und pflegen und auf den sie eingehen. Das wäre interessant, wenn die Firmen wenigstens ihre Alleinstellungsmerkmale am Markt kennen würden.
Haben sie nicht, tun sie nicht. Wer den Markt beobachtet, sieht, dass es überall ähnliche Produkte gibt, dass fast immer der gleiche Markt mit präzise den gleichen Fotos und überwiegend bis aufs Tüpfelchen übereinstimmenden Produktbeschreibungen angesprochen wird. Spitzenqualitäten in Leder und Seide? Nicht im Angebot. Dessous, die nicht gleich nach „billiger Nutte“ aussehen? Muss man lange suchen. Qualitativ hochwertige BDSM-Erzeugnisse? Ach, lassen wir das lieber gleich.
Fragt sich, warum alle auf „den Markt“ schielen und sich nicht Gedanken über bessere Produkte machen. Wahrscheinlich, weil man in der Vergangenheit nicht verkaufen musste, sondern Waren verteilen konnte. Dem trauern viele nach. Doch auch Horx weiß kaum Rat: Sex Gourmets mit grauen Haaren und dicken Geldbörsen hat er im Auge. Schön – aber Gourmets kaufen Qualität in ausgezeichnetem Ambiente mit individueller Beratung – und davon ist weit und breit nichts zu bemerken.
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