Mit derselben Frau verheiratet
Stolz erzählen die Männer mir, wie lange sie schon mit derselben Frau verheiratet sind: 25 Jahre? Wie schön. 50 Jahre gar? Kommt schon mal vor. Und sie sind stolz darauf. Was auch heißt: Eigentlich können jene dann nicht stolz sein, die in zweiter und dritter Ehe verheiratet sind.
Die Männer, die seit 50 Jahren „mit derselben Frau“ verheiratet sind, können natürlich sein und denken, was sie wollen. Sie sind aber keinesfalls edler, treuer oder moralischer als jene, die mehrere Ehen oder gar keine Ehen geschlossen haben.
Mein Urgroßvater war drei Mal verheiratet, ich bin zum dritten Mal verheiratet. Wir hatten beide unsere Gründe – und die waren und sind sehr privat, ebenso wie die Gründe jener, die „50 Jahre mit derselben Frau“ verheiratet sind.
Warum sollten wir überhaupt „stolz darauf sein“, zu heiraten? Normalerweise gründen wir dabei Wirtschaftsgemeinschaften, die, zugegeben, sehr erfolgreich sein können. Und so mancher gründete dann eine Familie – etwas, das auch immer Eindruck macht, wenn die Kinder gedeihen, Karrieren machen und ihrerseits wieder langjährige Ehen eingehen.
Wir sollten uns daran gewöhnen, dass Glück nicht davon abhängt, „mit derselben Frau“ verheiratet gewesen zu sein. Und es hängt auch nicht vom Gegenteil ab. Glück ist etwas, das wir anreichern – und sicher nicht nur aus der der Ehe schöpfen.
Nach meinen Beobachtungen führen lange Ehen, die niemals infrage gestellt wurden, zu mehr Wohlstand, während das Leben in wechselnden Beziehungen zu farbigeren Erfahrungen führt – und dabei ist die Frage, ob man dies wirklich anstrebt.
Und doch ist es kein Verdienst, lange Jahre „mit derselben Frau“ verheiratet zu sein. Es kann eben auch heißen: der Mann (und recht oft auch die Frau) hat oftmals die Zähne zusammengebissen und die hübsche Fassade noch außen aufrechterhalten.
Und so kann es eben auch stolze Verlogenheit sein, wenn Männer oder Frauen sagen: „Ich bin seit 50 Jahren mit ihr/ihm glücklich verheiratet.“
Was meinen Sie?