Das Selbst und das Wir
Nachdem sich die esoterisch veranlagten Menschen auch heute noch viel Gedanken über das „ICH“ und das „ES“ machen und dabei freudsche Sprüche von der Zunge abrollen lassen, versuche ich mal, Sie auf eine andere Spur anzusetzen.
Ich, Es, Über-Ich für den Alltag
Zunächst: Vergessen Sie Freud. Orientieren Sie sich an modernen Kommunikationslehren, wie sie beispielsweise im „PATCH“-System verwirklicht werden – das ist auch Freud drin, aber es ist nicht esoterisch, sondern wirklich nutzbar. Eric Berne hat das System entwickelt, und es wird auch heute noch von vielen psychologisch ausgerichteten Kommunikationstrainern benutzt.
Soweit Kommunikation und Verhalten – und wie sieht es „mental“ aus? Was ist mit dem merkwürdigen Geflecht aus Begierde, Verweigerung und dem, was wir „Liebe“ nennen?
Das Selbst – reicht es aus?
Namhafte Psychologen und Psychotherapeuten haben vor Jahrzehnten das „Selbst“ als Instanz geschaffen. Es vereint das freudsche Dreigestirn wieder (was im Alltag dringend nötig ist). Im Grunde ist die Frage nach dem Selbst aber kaum mehr als die Antwort auf die Frage „wer bin ich?“
Das „Selbst“ ist als Begriff inzwischen nicht mehr so populär, aber es ist wichtig, wenn wir eine Beziehung eingehen wollen: Da bringen wir unser „Selbst“ ein und das „Selbst“ einer anderen Person. Nun wissen wir aber, dass wir außer unsrem „Selbst“ auch noch eine Vorstellung von dem haben, was nicht zum „Selbst“ gehört, nämlich die soziale Umgebung. Und siehe das: Das andere „Selbst“, also das Partner-Selbst, gehört zu „allem anderen“.
Das Selbst, das Andere, die anderen
Wenn Sie sich das verinnerlichen, dann wissen Sie: Dabei können Konflikte entstehen, denn Sie haben sicherlich gemerkt: Der Mensch, der Ihnen am Kaffeehaustisch gegenübersitzt, gehört zum „Andere“.
„Das ist mal eine Weisheit“, werden jetzt die Pausbäckigen unter Ihnen sagen – aber halt – es gibt ja mehrerer andere (1):
– Das Bild, das Sie als „Andere“ in sich von Anderen haben.
– Das Bild, das ihr potenzieller Partner von „Andere“ in sich trägt.
– Ihr Selbst, genau genommen Ihre eigene Sichtweise auf Ihr Selbst.
– Das Selbst des Anderen, das Sie nicht kennen.
Warum unser „WIR“ überall mitspielt
Um die Sache einfacher zu machen: Aus den vielen „Selbst“ die sich hier „harken“, muss ein „Wir“ werden. Und zufälligerweise haben die meisten Menschen auch eine Vorstellung davon, was das „Wir“ sein könnte, zumal, wenn sie schon einmal eine sehr schöne „Wir“-Beziehung hatten.
So, und nun sind wir beim Punkt: Irgendwie müssen Sie mit Ihrem Gegenüber abklären, wie denn so ein „Wir“ aussehen könnte: in Gemeinsamkeiten, in produktiven Unterschieden, in Vorlieben und Abneigungen und was dergleichen mehr ist. Das wird beim ersten Date möglicherweise noch nicht so recht gelingen – doch bereits jetzt sollten sich Tendenzen erkennen lassen. Und wenn ich sagte, dass Sie mit ihrem Gegenüber abklären müssen: Es wäre schön, wenn Sie vorher mit sich selbst im Reinen wären, was den ein „Wir“ für Sie ausmacht.
(1) Es ist nützlich, sich mit den Gedanken von Ronald D. Laing vertraut zu machen, der die Rückbezüge ausführlich beschreiben hat.