Dummheiten und Märchen über Introvertierte
Introvertierte Menschen sind ein Lieblingsthema diverser Blogs. Auch Blogs für Partnersuchende und „allgemeine Ratgeber“ berauschen sich immer wieder an „Introvertierten“. Dabei wird oft versucht, Introvertierte als „hilfebedürftig“ hinzustellen. Beispielsweise, indem behauptet wird, man müsse ihnen ermöglichen, sich endlich öffnen zu können.
Denn: Introvertierte Menschen gelten als schwierig. Extravertierte aber auch. Woraus sich einmal mehr ergibt: „Unschwierig“ sind immer die Menschen, die wenig ausgeprägte Eigenschaften haben. Wer Profil zeigt, wer Facetten hat, wer seien eigene, unübliche Sicht der Dinge hat, gilt als schwieriger Partner oder schwierige Partnerin. Und weil Psychologen große Definitionsmacht über die menschlichen Gefühle haben, bezeichnen sie sogar den Unterschied zwischen „Introvertiert“ und „Extravertiert“ als einen der wichtigsten Faktoren, der Menschen unterscheidet.
Doch zuvor: Gibt es „introvertiert“ überhaupt? Und wenn es so etwas gibt, was bedeutet es?
Fragwürdig am Begriff ist zweierlei: erstens, dass er von Carl Gustav Jung geschaffen wurde,, dem psychologischen Mystiker, der seine Theorien noch schwacher untermauerte als beispielsweise Freud. Das zweite Problem ist, dass er Teil eines Dualismus ist, und Dualismen leben vom Ausschluss. Nach dem psychologischen Mainstream kann also ein Mensch nur entweder „introvertiert“, also also „der Innenwelt zugewandt“ oder extravertiert, also der „Außenwelt zugewandt“ sein.
Sagen wir es klar: Kein Mensch, den der Volksmund als „introvertiert“ beschreibt, ist ausschließlich der Innenwelt zugewandt. Das wäre biologisch, sozial und kybernetisch völlig unmöglich. Was aber macht den „Introvertierten“ aus?
Auch hier kann ich sagen: Der Begriff „introvertiert“ ist eine willkürliche Zuweisung an die menschliche Persönlichkeit – es gibt keine allgemeingültige, glaubwürdige Definition. Alles, was gesagt wird, beruht im Wesentlichen auf Fremdeinschätzungen – und ein Teil davon stammt von Menschen, die besser den Mund halten sollten, um nicht die eigene Dummheit zu offenbaren.
Der/die Introvertierte – Märchen, Sagen, Fakten
Gedeckelte Gefühle
Eine populäre Annahme über introvertierte Menschen ist, sie würden ihre Gefühle „deckeln“, also für sich behalten. Das ist nicht der Fall. Bevor sie sich zu irgendetwas äußern, versuchen sie, es zu ergründen. Das gilt für nahezu alles. Und eben auch für Gefühle. Die Behauptung, introvertierte hätten „emotionale Panzer“ ist völlig aus der Luft gegriffen. Warum sollte sich jemand panzern, der im Grunde genommen unangreifbar ist, weil er autonom fühlen und denken kann?
Fehlende Aufgeschlossenheit
Eine absolut oberflächliche Behauptung besteht darin, „introvertierte“ Menschen seien „nicht aufgeschlossen“. Zumeist ist das Gegenteil der Fall: Sie sind aufgeschlossen, hören gerne zu und lassen sich Dinge, die sie Interessieren, ausführlich erläutern – und sie sind zumeist gute Zuhörer. Die Meinung kommt daher, dass viele teils dummdreiste, teils eitle und teils überfürsorgliche Personen versuchen, dem Introvertierten ihre Themen aufzuzwingen.
Mangelnde Kommunikation
Der Vorwurf, introvertierte Menschen würden die Kommunikation scheuen, ist unhaltbar. Der Vorwurf wird zumeist von Menschen erhoben, die entweder „Small Talk“ reden wollen oder die andere von vornherein nicht ernst nehmen, nicht ausreden lassen und nicht zuhören können. Introvertierte sind so kommunikationsstark oder schwach wie andere auch – sie reden nur nicht gerne „Dünnschiss“. Um beim Wort zu bleiben: Wenn Sie die behutsam begonnene Argumentation eines Introvertierten unterbrechen, haben Sie bei ihm bereits verschissen. Es wird lange dauern, bevor er wieder mit Ihnen spricht. Denken Sie dran: Er kann auf Sie verzichten – ob Sie auf ihn verzichten können, müssen Sie selbst entscheiden.
Sinnlose Schüchternheit
Introvertierte Menschen gelten oft als schüchtern und es wird behauptet, dass sie Zurückweisung fürchten. Das trifft manchmal zu. Da Introvertierte der festen Überzeugung sind, dass niemand in ihre Gefühlswelt einbrechen darf, sondern einen Zugang erbitten muss, so sicher sind sie in ihrer Annahme, auch bei anderen nicht einfach „einbrechen“ zu dürfen. Das kann zum Problem werden, vor allem bei der Partnersuche.
Introvertierte verlangen zu viel Privatheit
Introvertierte leben nicht nur in ihrer Welt, sondern auch in der Welt ihrer festen Partner. Sie mögen nicht, wenn etwas aus dieser Welt an die Öffentlichkeit getragen wird. Sie haben ihre Partner ja schon in ihre Welt hereingelassen – und das reicht ihnen völlig.
Introvertierte sind einsam
Introvertierte beschäftigen sich so mit der Welt, mit den Wissenschaften und den Menschen, als wären sie ein Teil des Ganzen. Da die Welt in ihnen steckt, öffnen sich ihnen innere Dialoge, Gefühlsketten und Verbindungen, die von anderen nicht wahrgenommen werden. Wo ihre Mitmenschen ständig „andere“ brauchen, tragen sie ihr „Andere“ im Hirn. Manchmal sind sie einsam – besonders, wenn viele Menschen um sie herum sind, die ihnen allesamt gleichgültig sind.
Wer introvertiert ist, hat kaum positive Eigenschaften
Oh, welch ein Irrtum! Die meisten introvertierten Menschen folgen Werten und nicht Gefühlen, Tatsachen und nicht Meinungen, Ideen und nicht Abwiegelungen. Sie versuchen ständig, sich und andere besser zu verstehen. Im Beruf entwickeln sie zahllose innovative und recht ungewöhnliche Ideen und sie führen im Hintergrund. In der Partnerschaft sind sie verständnisvoll, rücksichtsvoll und solange friedlich, wie man nicht versucht, ihren inneren Frieden zu zerstören.
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