Männer sind … Frauen sind … wie Klischees verbreitet werden
Wenn Wissenschaftler Klischees stützen oder bestätigen, heißt dies noch lange nicht, dass sie damit auch recht haben. Ich denke, alle Branchenbeobachter kennen die Studie von Professor Asendorpf. Sein Verdienst: Er und sein Team haben die Mär von der „Liebe auf den ersten Blick“ deutlich widerlegt. Allerdings hat sich sofort ein Fehler eingeschlichen: Ein Teil der Wissenschaftler und Kommentatoren hielt das Szenario „Speed Dating“ nun wiederum für so echt, dass sie glaubten, daraus Schlüsse für das Kennenlernen „als solches“ gewinnen zu können.
Und irgendwann lesen wir dann dies als „wichtiges“ Forschungsergebnis:
Die Popularität der Frauen (für die Männer) beruhte … ausschließlich auf der Attraktivität von Gesicht und Stimme sowie dem Body Mass Index. Und das ist auch schon die ganze Geschichte. Sorry, aber es scheint zu stimmen: Männer achten – zunächst – wirklich nur aufs Äußere.
Ähm … ja. Und die Attraktivität der Männer? Sie beruhte (ach ne?) auf der Attraktivität von Gesicht und Stimme, geringer Schüchternheit und einigen Faktoren, die bei drei bis sieben Minuten Speed Dating ausgesprochen fragwürdig klingen, wie „das Einkommen, soweit erkennbar“).
Der Autor eines kürzlich erschienenen Artikel meint deshalb, dass die „inneren Werte“ beim Kennenlernen kaum eine Rolle spielen – übrigens auch für Frauen nicht, was die angeblichen „Unterschiede“ wieder relativiert.
In der Datenverarbeitungsbranche sagt man: „Shit in – Shit out.“ Will heißen – die Ergebnisse können nicht besser sein als das, was man als Grundlage verwendet. Und für die Behauptung, Frauen und Männer verhielten sich „beim Kennenlernen“ ganz und gar unterschiedlich und zudem leichtfertig, gibt es keinerlei Beweis. Was wiederum darauf zurückzuführen ist, den Begriff „Kennenlernen“ leichtfertig zu verwenden. Denn ein gewillkürter „Flirt“ unter Stress (falls man dies überhaupt einen „Flirt“ nennen kann) ist kein „Kennenlernen“ im Wortsinn, sondern eher eine Präsentation.
Ich frage mich: Wer ist eigentlich daran interessiert, ständig alte und neue Klischees über die Geschlechter zu verbreiten, und warum ist es eigentlich so schrecklich chic, ständig die Männer in die Pfanne zu hauen? Diesmal habe ich nicht die Forscher in Verdacht – sondern diejenigen, die glauben, daraus allgemeingültige Wahrheiten ableiten zu können.
Sehen Sie, beim Online-Dating müssen Sie sich auch „schnell“ entscheiden. Aber Sie haben, wenn es gut läuft, doch mindesten zwei bis drei Stunden Zeit, um wenigstens einen guten Teil des anderen Menschen kennenzulernen. Und Sie können sich mit ihm wiedertreffen, um die Bekanntschaft zu vertiefen. Nach drei Treffen – das kann ich Ihnen fast garantieren – haben Sie ihren Partner ohne Persönlichkeitskorsett und ohne Oberflächenverbesserung gesehen. Und sich entweder verliebt oder auch nicht.
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