Das Schlimmste zuletzt – 2015 war vieles Fassade
Ich kann mich an kein Jahr nach der Dotcom-Blase erinnern, in dem so viel Geld sinnlos zerschreddert wurde wie im letzten Jahr – doch immer noch investieren Geldgeber in Dating-Apps. Wobei abermals klar wird: Man investiert in etwas, das sich weder greifen lässt noch zukunftsträchtig ist. Denn Apps sind programmierter Schall und Rauch, wenn dahinter kein Unternehmen steht, das wenigstens annäherungsweise nach kaufmännischen Richtlinien geführt wird. Und es wäre wirklich nicht schlecht, wenn solche ein Unternehmen ab und an von Fachleuten geführt würde. Obwohl – die Politik macht uns ja klar: Auch Luschen können Ministerien führen. Warum sollen Luschen dann nicht auch Dating-Unternehmen führen können? Nur mal so ein Gedanke, sicherlich.
Da ist ein alter Mann, man nennt ihn den Mississippi, und das ist die alte Tante, die man Partnervermittlung nennt. Was beide gemeinsam haben: (1)
He must know sumpin‘
But don’t say nuthin‘,
He just keeps rollin‘
He keeps on rollin‘ along.
Ja, ja, das ist der Songtext aus “Show Boat” – die Leute müssen irgendwas wissen, doch das sagen sie nicht, und stattdessen machen sie immer weiter und weiter und weiter … und solange Wasser fließt bleibt das Boot auch flott.
Yeah, Baby! Ich wollte die lechzende Münder, nackten Brüste, kahl geschorenen Muschis und offenen Schritte eigentlich gar nicht erwähnen. Die Branche feiert sie indirekt, in dem sie den Umsatz, der beim Sex-Dating gemacht wird, einfach mit hineinrechnet in den großen Topf. Und das verkauft die Branche als „Erfolg“. Ich mag gar nichts sagen, an was mich das erinnert … und wie war das mit den Platzhirschen, den Braven, den Guten, was sagen die dazu? Empören die sich etwa über die Lockvögelinnen, die bei der Sex-Konkurrenz schon als „Vereinbarungen“ in den AGB stehen?
Ähhhm … they don‘t say nuthin‘ – sie sagen nichts dazu.
Das, was sogenannte Forscher 2015 über die Lust, die Leidenschaft, die Sexualität an sich oder gar die Liebe herausgefunden haben wollen, ist in der Summe der Beweis für ihre Unfähigkeit. In einem meiner letzten Artikel in 2015 habe ich etwas polemisch geschrieben:
Diese Leute abstrahieren solange vom Alltag, bis das unwahrscheinlichste mögliche Ergebnis gefunden wurde.
Das ist übrigens legitim. Forscher müssen sich nicht an die Alltags-Realität halten, sondern dürfen alle Umstände, zu denen sie forschen, im Lichte ihrer jeweiligen Wissenschaft betrachten. Sollte diese Wissenschaft, wie die Genderforschung, ideologisch verseucht sein, ist das auch legitim. Der Clou an dieser neuen Art der „Forschung“ ist noch gar nicht so richtig in das Bewusstsein der Bevölkerung gedrungen: Wissenschaftler machen anderen Wissenschaftlern der Weg frei, ganz selbstverständlich fragwürdige Quellen zu benutzen.
„Das Karussell, das dreht sich immer rundherum, für das hochverehrte Publikum“ – war mal ein Schlager. „Ach steig doch ein … und fahr mit mir.“ Es dreht sich, bis uns schwindlig wird, und wer beleibt da noch bei Verstand? Wir haben in diesem Jahr gelernt, wie der Mann die Frauen behandelt, besser nicht behandelt oder das Wort „behandeln“ im Umgang mit Frauen besser ganz vermeidet. Immer wieder drehen aufgeregte Pressefritzen etwas in unsere Köpfe hinein. Mal können sie die Griechen nicht mehr riechen, mal werden friedliche Männer zu kriminellen Freiern und mal sind alle Frauen nichts als lesbisch –oder wenigstens „bi“. Das Dösigste zuletzt: Zwar lechzen Leserinnen nach schärfster Lust in Liebesromanen, hängen aber nach draußen ihr bürgerliches Anstandskorsett heraus. Dazu noch ein Text gefällig (2=?
At the end of the day,
They don’t mean what they say,
They don’t say what they mean,
They don’t ever come clean –
And the answer –
Is it’s all a facade!
Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir mit Nachrichten vollgedröhnt warden, die nicht das Schwarze unter den Fingern wert sind. Wir mussten erfahren, dass wir heute ein bisschen „so herum“ belogen wurden und morgen ein bisschen „anders herum“. Nicht von Schrottmedien, sondern von der höchst seriösen Bürgerpresse, die alles 1:1 wiedergab, was ihr zugespielt wurde, solange „Wissenschaft“ auf dem Etikett stand. Wahrheit ist zu einem Luxusgut verkommen.
Am Ende des Jahres? Sie meinen nicht, was sie sagen, und sie sagen nicht, was sie meinen – und sie schämen sich nicht einmal dafür, die Politiker, Wirtschaftsbosse, Faktenverdreher und Werbe-Einflüsterer. Und die Wissenschaftler bauen dazu mit ihrer Einfalt ein Paralleluniversum, das eine Karikatur der Realität darstellt.
Die Antwort auf alles? Sie alle können nur Fassaden bauen. Die Vermutung liegt nahe, dass dahinter oft – gar nichts steht.
Und falls Sie jetzt denken, ich wäre heute extrem überheblich oder ohnehin ein geborener Misanthrop: Beweisen Sie mir doch einfach, dass ich Unrecht habe. Und in diesem Sinne: Versuchen Sie, 2016 mehr selbst zu denken als denken zu lassen.
(1) Aus „Show Boat“, Musical (Jerome Kern und Oscar Hammerstein II), Ol‘ Man River.
(2) Aus Jeckyll and Hyde, Musical,(Frank Wildhorn und Leslie Bricusse).