Irreführende Informationen: Frauen wollen Beziehungen, Männer Sex
Zahlenspiele, die sich pressewirksam verkaufen lassen, haben in der Regel einen fragwürdigen Wahrheitsgehalt. Ob man nun 250, 10.000 oder gar 40.000 Datensätze „ausgewertet“ hat, spielt dabei eine höchst untergeordnete Rolle. Denn wichtig sind nicht die Datensätze, sondern die Interpretationen durch Forscher und Journalisten.
Ich kann nur den Kopf darüber schütteln, wofür sich „Wissenschaftler“ hergeben und wie dergleichen hernach pressewirksam vermarktet wird. Kurz: laut der Mitteilung eines Internetunternehmens, das „exklusiv“ dem Magazin FOCUS vorlag. Demnach suchen 40 Prozent der Männer Gelegenheitssex, während 42 der Frauen sich „dagegen“ „nach langfristigen Beziehungen sehnen“.
Allein das Wort „dagegen“ offenbart die Leichtfertigkeit, mit der die unter nicht ganz plausiblen Daten pressewirksam vermarktet werden. Denn die eine Gruppe steht nicht gegen die andere, sondern bestenfalls parallel dazu, und die Daten stammen- wie bereits erwähnt, aus nicht 100 Prozent sicheren Quellen.
Eine ähnliche Betrachtung unter Beteiligung der gleichen Quellen war übrigens bereits 2013 pressewirksam vermarktet worden.
Damals hieß es, beispielsweise in der WELT aus 2013:
Der Studie zufolge sind mit 41 Prozent bei Männern vor allem Casual-Dating-Seiten äußerst beliebt.
Frauen und Männer suchen Sex – und Beziehungen
Sicher ist, dass mit Meldungen wie „Männer suchen online Sex, Frauen die große Liebe“ auf gefährliche Art und Weise Vorurteile bestärkt werden. Denn selbstverständlich suchen Frauen wie Männer online ebenso Sex wie auch Beziehungen – die Frage ist nur, wie, wo wann, und wie offen was ausgesprochen wird. Wird dies reduziert auf billige Formeln wie „Männer, suchen online Sex, Frauen die große Liebe“ so wird dabei auich unterstellt, dass „online“ ein völliges Ungleichgewicht herrscht (was nicht wirklich der Fall ist), während „offline“, also in der Realität, alles „koscher“ zugeht. Zudem könnte man annehmen, dass die Partnersuche „online“ für beide Geschlechter aussichtslos ist, weil kaum jemand das sucht, was er findet. Und selbstverständlich werden – einmal wieder – die hässlichsten Geschlechterklischees mit angeblichen Fakten unterlegt. Allerdings – das mögen gewisse Leute: Sie wollen ihre Vorurteile bestätigt sehen, weil sie dies bekräftigt, die „anderen“ verantwortlich für ihre Misere zu machen.
Zu viel Ehrfurcht vor der Wissenschaft – zu wenig Information über das Pressewesen
Daraus ergibt sich aber auch die Frage, wie weit in deutschen Schulen gelehrt wird, kritisch mit der Presse umzugehen. Die ehrfürchtige Haltung vor der Wissenschaft ist ja sogar manchen Redakteuren so heilig, dass entsprechende Meldungen nahezu 1:1 aus der britischen Boulevardpresse kopiert werden – mit den ersten eingebauten Verfälschungen.
Kurz: Warum die Meldungen irreführen sind
Noch mal für alle, die nicht lange lesen wollen:
1. Die Männer, die angeblich nur Sex suchen, werden überbewertet. Sie könnten ebenso gut eine Beziehung eingehen, wenn ihnen eine Frau begegnen würde, mit der sie sich eine Zukunft vorstellen könnten.
2. Die Frauen, die angeblich Beziehungen suchen, tun dies teilweise zum Schutz, um nicht als „Schlampen“ zu gelten. Alle Beobachter wissen, dass sie ihren Wunsch nach Sex oftmals hinter der „Suche nach Beziehungen“ verbergen – vor allem öffentlich.
3. Die Wahl des Mediums (Single-Börse, App, und Sex-Börse einerseits und „Online-Partnervermitlung andererseits) sagt bereits viel über die Absichten aus. Beim richtigen Medium findet man auch die passenden Partner.
4. Frauen und Männer suchen gleichermaßen Sex, aber nicht bedingungslos. Alle anderen Aussagen sind an den Haaren herbeigezogen.
5. Frauen und Männer suchen tatsächlich aber auch Beziehungen, nur nicht jederzeit und nicht mit jedem.
6. Aus (4) und (5) ergibt sich, dass seriöse Begegnungen nicht zwangsläufig entweder zu Sex oder zur Beziehung führen, sondern mal zu dem Einen, mal zu dem Anderen – und schließlich am häufigsten auch zu gar nichts.
7. Die „Verkupplung“ über öffentlich angegebene Hobbys, die bei allen „Primitivbörsen“ und verwendet wird, ist fragwürdig – insofern ist es völlig gleichgültig, was an Hobbys angegeben wird. Darauf ein „Matching“ aufzubauen, ist der reine Hohn.
Quelle 2013 auch: Ibusiness
Quelle 2015: Wochenblatt, (FOCUS)