Der gegängelte Partnersuchende durch „Nudging“– bereits Realität?
Neu ist die Sache nicht – die Bürger unseres Landes werden heimlich gegängelt. Sie sollen sich den Mainstream-Meinungen anschließen, was letztlich bedeutet, ihren Leittieren, sein es nun Hammel oder Mutterschafe, blind nachzulaufen. Natürlich muss der Staat abweichende Meinungen zulassen – man hat ja schließlich eine Demokratie. Aber er kann dafür sorgen, dass Abweichler herabgestuft werden.
Mit einem Fremdwort nennt man das „Nudging“ – es soll unser eingebautes Entscheidungssystem möglichst nachhaltig zu beeinflussen – so, wie es die Wirtschaft schon seit langer Zeit tut. Falls Sie glauben, ich rede Blech: Gerade sucht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Personen, die das „Nudging“ in Deutschland in die Praxis umsetzen sollen (1,2).
Wie die Politik sich in der Liebe totlief
Reden wir mal vom Verlieben. Das „automatische System“, das und hier durch Geburt oder Prägung eingeplant wurde und das zudem auf biochemischen Grundlagen beruht, die schwer kontrollierbar sind, soll ersetzt werden. Bislang konnte die Politiker es niemals in den Griff bekommen – man denke nur an die vielen gescheiterten Familienpolitiker(innen) in der Bundesrepublik Deutschland. Hier hat das „Nudging“ also nicht funktioniert. Was das Verlieben betrifft, ist die Politik also gescheitert, ebenso wie die Verhaltepsychologie oder die Psychoanalyse.
Der manipulative Ansatz der Wissenschaft und Nudging
Und doch hat man einen Ansatz gefunden, um Menschen in der Liebe nachhaltig zu manipulieren: Man benutzt dazu den Volksmund, der wahlweise zwei Rezepte hat: Gegensätze ziehen sich an“ und „Gleich und Gleich gesellt sich gerne“. Wie bekannt, greifen Psychologen solche Volkssprüche gerne auf, weil sie eingängig sind – und kochen dann darauf das Süppchen ihrer angeblichen Überzeugung oder „Wissenschaft“.
Nudging wirkt: der Glaube an die Liebes-Zauberformel
So kommt es, dass heute nach Zehntausenden zählende deutsche Singles glauben sollen, es gäbe Zauberformeln, die man sinnentstellend „Algorithmen“ nennt, um den „passenden“ Partner finden. Wie ich schon mehrfach schrieb (und wie Ihnen jeder andere IT-Experte bestätigen wird) gilt in der Datenverarbeitung: „Shit In-Shit Out“. Die sogenannten Algorithmen sind nichts als Handlungsvorschriften an einen Rechenknecht. Sie sind nur so gut wie die Wissenschaft, die dahinter steht, und sie ist löchriger als jeder Großlochkäse. Abgesehen davon – und das verschweigen Ihnen alle – sind die Parameter manipulierbar. Denn selbst die beste Grundlage und die intelligenteste Umsetzung kann nicht verhindern, dass an den Stellschrauben gedreht wird, damit selbst für die exotischsten Persönlichkeiten noch Partner gefunden werden können.
Das „Nudging“ („anstupsen“) hat also funktioniert. Es hätte zwar auch ohne jeden wissenschaftlichen Schönanstrich geklappt, wie jede begabte Amateurkupplerin weiß, aber es ist eben schicker, ein bisschen Wissenschaftsgold darüberzulegen, auch wenn es nur Katzengold ist.
Manipulative Eingriffe und deren Verschleierungen
Ärgerlich ist nicht der Umstand, dass Wirtschaftsunternehmen versuchen, ihre Tätigkeiten mit Wissenschaftskränzen aufzuhübschen. Das ist absolut legal. Nein, wirklich ärgerlich – und möglicherweise gar sozial unerwünscht – ist die Illusion, es gäbe „die Richtige“ („den Richtigen“) und er könne über irgendwelche Formeln gefunden werden. Beinahe noch sinnloser und weitaus gefährlicher freilich ist die Umkehrung. Das Volk glaubt nämlich nun auch, man könne Partnersuchende vor „der Falschen“ („dem Falschen“) durch die Algorithmen bewahren.
Wunderglaube statt Logik
Wo liegt das Problem? Es ist so einfach, dass man den Kopf schütteln könnte: Jeder durchschnittlich begabte Abiturient mit minimalen Logikkenntnissen könnte es erkennen, und es steht sogar in der Fachliteratur (3). Voraussetzung dafür, „die Richtige“ („den Richtigen“) zu finden, wäre nämlich, dass es so etwas wie „die Richtigen“ überhaupt gibt. Paul Watzlawick und seien Mitarbeiter hätten sich vermutlich vor Lachen auf dem Boden gekugelt, wenn sie den Unsinn (4) gehört hätten.
Wenn wir einmal von dem unlösbaren Problem „den“ passenden Partner zu finden, auf die Erde zurückkehren, auf der andere Bedingungen herrschen als im Himmel der Wissenschafts-Götzen, könnten wir die menschlichere Frage stellen. Nämlich, «ob man durch die Wissenschaft einen „möglicherweise passenden Partner“ finden könnte? » Na klar. Und mit jeder anderen Variante des Suchens auch.
(1) Magazin FREITAG „Der Bürger als Hund„
(2) Die WELT „Merkel will …“
(3) Retzer, „Lob der Vernunftehe“, Frankfurt, 2009.
(4) Watzlawick, Weakland und Fisch „Lösungen“, im Ursprung New York, 1974, Deutsch: Bern, 1974.
Anmerkung: Unser Autor Gebhard Roese war 20 Jahre lang als IT-Organisator tätig.
Bild: Historisches Plakat zur Ankündigung einer magischen Show.