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Sinn und Unsinn von Kommunikationstrainings für Partnersuchende

Ein Satz vorab an alle, die es betrifft: ich geben seit etwa zwei Jahrzehnten keine Kommunikationstrainings mehr, verfolge aber, was die Kolleginnen und Kollegen, also möglicherweise Sie da draußen inzwischen treiben oder unterlassen. Dieser Artikel beschäftigt sich mit Entwicklungen und Fehlentwicklungen in der Welt der Kommunikationsseminare.

Ein Problem dabei besteht darin, dass es keine einheitliche Sichtweise bei der menschlichen Kommunikation gibt – Wikipedia nennt beispielsweise neun völlig verschiedene Wissenschafts- und Denkmodelle, aus denen heraus die Kommunikation erklärt werden soll. Als ich noch Kommunikationstrainer war, hatte ich Mühe, meinen Schülern diese Tatsachen zu erläutern, denn Deutsche sind ja gewohnt, dass die Wissenschaft einen Kern hat, aus dem alles herauswächst.

Tatsächlich ist der sogenannte „Zugang über eigene Erfahrungen“ die übliche Art, sich an das Fachgebiet heranzutasten, bevor man sich an die theoretischen Grundlagen macht. Die findet sich im Grunde ausschließlich bei Paul Watzlawick at al, (1) der mit seinem Autorenteam allerdings keine Hinweise für diesbezügliche Seminare gibt. Wer tiefer einsteigen will, kommt um die Grundlagen der Nachrichtenverarbeitung nicht herum, und wer diese Regeln nicht beherrscht, kann auch die zugrunde liegenden Theorien nicht vermitteln. Allerdings ist dies nicht bei allen Kursen wirklich nötig, sodass viele Trainer ganz ohne theoretische Modelle auskommen.

Geht es um die „wissenschaftlichen“ theoretischen Grundlagen, so ist Vorsicht geboten. Außer bei Paul Watzlawick (1) und vor allem bei Schulz von Thun (2) kann man die Grundprinzipien nirgendwo nachlesen – und Schulz erklärt die Prinzipien weitaus pragmatischer und verständlicher als Paul Watzlawick. Ein anderer Weg des Zugangs zur menschlichen Kommunikation kommt sogar ganz ohne Kommunikationstheorie aus: die Transaktionsanalyse. Wenngleich sie auf einem überholten Menschen- und Wissenschaftsbild beruht (es ist eine modifizierte freudsche Theorie des „ICH“) kann sie hervorragend verwendet werden, weil sie einfach und leicht zu handhaben ist. (Das Prinzip dahinter heißt P-A-CH oder auf Deutsch (El-Er-K).

Beide Theorien sind Universaltheorien, die dazu führen, die Kommunikation besser zu verstehen und auf seine Mitmenschen angemessener zu reagieren – aber sie sind nur das Skelett, anhand dessen ein Training stattfinden kann. Alles, was tatsächlich im Seminar oder Training geschieht, ist einzig und allein von der Konzeption des jeweiligen Trainers oder Autors abhängig.

Kommunikationsseminare sind insoweit wertneutral, wie geistige Grundlagen wertneutral sein können: Das heißt, sie wirken wie ein scharfes Messer, das zum Gemüse schneiden verwendet werden kann, aber auch zum Verletzten eines Menschen. Aus dieser Sicht ist nicht glaubwürdig, wenn Menschen von „besserer“ Kommunikation sprechen, wie es ein Teil der Psychotherapeuten tut. Wir können in Wahrheit nur die „Möglichkeiten erweitern“ oder „andere Ebenen suchen“ oder „anders Kommunizieren“ – was „besser“ ist, kann nur die Person selbst entscheiden.

Was wir wirklich können, ist allerdings. Unseren Klienten zu helfen, ihre Fertigkeiten zu verbessern: Die Basis des Fragens, Antwortens, Zuhörens und Schweigens wäre beispielsweise so ein Gebiet, das Partnersuchende besonders interessieren dürfte (oder jedenfalls interessieren sollte). Ich persönlich habe nie analoge (non-verbale) Kommunikation unterrichtet, aber gerade dieses Gebiet ist sehr sinnvoll bei Flirt- und Online-Dating-Seminaren. Das Paradoxe an der Sache ist dies: Theoretisch gäbe es unendlich viele Trainerinnen und Trainer, doch sie fühlen sich entweder nicht kompetent oder nicht zum Sujet hingezogen: Fast alle gelernten Schauspieler(innen) würden sich nach einer kurzen Einführung in die Materie eignen, um die Grundlagen der Körpersprache zu lehren oder wenigstens zu demonstrieren.

Fehlentwicklungen gab und gibt es viele in der Branche: Früher waren es die Psycho-Seminare, die eine „bessere Kommunikation“ durch den Einsatz von Gefühlen auf einer frühen, unsicheren Ebene des Kennenlernens versprachen, heute sind es die Schulungen, die aus dem Business-Bereich in die Partnersuche übergeschwappt sind: hochmanipulative Methoden, die an den Grundlagen der Persönlichkeit kratzen oder die völlige Fokussierung auf Einzelziele, die die Menschlichkeit verachten. Ob sie im Geschäftsleben gut aufgehoben sind, mag man befürworten oder auch nicht: Ich jedenfalls meine, dass sie im zwischenmenschlichen Bereich nichts zu suchen haben.

Meine eigenen Beobachtungen sind so: Was Menschen in der Kommunikation jetzt „falsch“ machen, ist heute immer noch das, was es vor 20 Jahren auch war: Zu sehr auf sich selbst konzentriert zu sein, nicht gut zuhören, Fragen ungeschickt zu stellen und keine Antworten zu finden. Hier kann mit wenig Korrekturen bereits in kurzer Zeit viel erreichen – und ich wundere mich manchmal, warum nicht mehr Menschen diesen einfachen Weg gehen.

1) Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und Don D. Jackson: „Menschliche Kommunikation“, Erstauflage Deutsch 1969, Bern.
2) Friedemann Schulz von Thun „Miteinander reden“, Reinbek, 1981

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