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Das Ende der Liebe findet nicht statt

Ich bin, wie viele andere Leser unserer Kulturgazetten wohl auch, auf etwas hereingefallen: Die beiden Bücher „Das Ende der Liebe“ von Sven Hillenkamp und das angeblich ähnliche Werk Werk „Lob der Vernunftehe“ von Arnold Retzer werden nämlich häufig zusammen besprochen – was offenbar suggerieren soll, sie seien beide gleichwertig.

Nachdem ich beide Bücher bestellte und sie anlas, muss ich aber leider Folgendes sagen: Nur das Buch von Arnold Retzer („Lob der Vernunftehe“) verdient den Respekt, diskutabel zu sein, während das Buch von Sven Hillenkamp im Grunde genommen indiskutabel ist. Zu beklagen ist vor allem, dass sich Hillenkamp auf 311 Seiten ständig wiederholt und dabei Behauptungen über die Gesellschaftsordnung aufstellt, die er nicht beweisen kann. Natürlich ist die Hauptthese des Buches interessant: Die Menschen haben heute unbegrenzte Möglichkeiten, und sie stoßen gerade deswegen an ihre Grenzen – und die Liebe bleibt dabei auf der Strecke. Solche fix dahingeschriebene Behauptungen mögen hingehen, wenn das Buch, wie es im Klappentext heißt „maßlos übertreibt“ in einer Welt, die „maßlos übertreibt“.

Dabei übertreibt eigentlich nur der Autor maßlos. Man kann vermutlich nicht mehr viel daran ändern, wenn das Wort „Branche“ aus Populismus in „Industrie“ verändert wird, aber daraus werden dann Monströsitäten wie diese konstruiert:

Freizeitindustrie und Nachtleben, Prostitution, Pornografie und Partnervermittlung, die sich über das Internet organisieren und inszenieren, bilden eine neue Industrie … sie ist eine Industrie der Erotik in umfassendem Sinne … zum ersten Mal in der Geschichte wird das gesamte sogenannte Liebesleben … industrialisiert.

So etwas wirft die Frage auf, ob die tippenden Finger den Gedanken vorauseilten – denn hätte der Autor nachgedacht, hätte er als erste Instanz den Menschen betrachten müssen, der nach wie vor liebt. Wer mitten im Leben steht, seine Umgebung beobachtet und vor allem die Jugend im Visier behält, der weiß: Das Ende der Liebe findet nicht statt. Auch das Knüpfen zarter Liebesbanden findet keinesfalls industrialisiert, massenproduziert und technikorientiert statt, sondern oft ängstlich, abwägend und nicht selten voller Zweifel. Das Problem dieser Art von Büchern ist das Problem der Weltsicht: Sie werden in blindwütiger Verachtung der davon betroffenen Menschen (im Besipiel also der Liebenden) geschrieben, sozusagen von „vorn oben herab“: „Seht, wie großartig ich bin, ich verstehe die Welt – und ihr noch nicht“.

Ich will gar nicht verhehlen, dass uns alle, die wir schreiben, dieser Vorwurf dann und wann treffen mag. Aber ich denke doch, wir sollten beherzigen, dass wir von den Liebenden lernen müssen, bevor wir über sie schreiben können.

Das Buch ist, ich kann es nicht anders sagen, „nassforsch“ geschrieben. Es hakt bei einigen bekannten Kulturphänomenen ein, um sie sofort zu verallgemeinern. Ich habe beim Lesen mehrfach den Begriff „die Menschen“ gefunden, die so oder so „sind“ und sich nicht einmal dagegen wehren können. Wenn Hillenkamp sagt, dass „wir Menschen“mit unseren Geschlechtsorganen nach Liebe suchen“, dann haben wir das zu fressen – basta. Und gerade dieses „basta“, diese unendliche Überheblichkeit des Autors, wertet das Buch ab. Merkwürdig, dass es den Rezensenten nicht auffiel.

Vergleiche: Die Wahrheit über das Ende der Liebe.

Erstaunliche positive Rezensionen fand ich sowohl bei der „Deutschen Welle“ wie auch in der WELT, deren Rezensentin die Liebe ja gleich auf den Schrottplatz der Geschichte verbannen wollte.

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